Mein zweites Zuhause sind Bahnhöfe und Züge. Ich pendle aus Leidenschaft. Ich mag es, an Bahnhöfen zu stehen, entspannt und mit offenen Sinnen. Die Menschen strömen oder stehen um mich herum, sie spiegeln sich in den Zügen und Glaswänden und sie tun allerhand Dinge.
Wunderbar ist, dass sie mir jederzeit für Gespräche zur Verfügung stehen. Kaum jemand ist verschlossen und unfreudlich. Ich fotografiere sie offen oder heimlich, als Teil der gemeinsamen Bahnhofswelt.
Ich habe als Kind gelernt, dass ich nicht mit Fremden reden soll. Diese Regel gilt für mich schon lange nicht mehr. Mit Fremden rede ich, wann immer ich Lust habe oder sie sich an mich wenden. Es sind nicht nur Worte, die ich mit ihnen austausche. Manchmal lächeln wir, machen Zeichen, Mimik oder wir erkennen uns wieder, weil wir früher mal zur gleichen Zeit unterwegs waren und uns lange nicht mehr gesehen haben. Mitpendelnde wünschen einen schönen Tag, obwohl ich nie mit ihnen geredet habe. Einfach so, weil man sich sieht.
Ich nehme gerne einen Bahnhof akustisch wahr. Den Bahnhof Olten könnte ich wahrscheinlich auswenig. Ich mag seinen Klang. Er kann sehr still sein, so dass die einzelnen Geräusche optimal gehört werden können. Im Winter hat er eines morgens geknistert. Das habe ich nur einmal erlebt, jedoch nie vergessen. Auf dem Glasdach lag eine dünne Schicht Eis, die von der aufsteigenen Wärme zu brechen begann.
Im Zug schreibe und lese ich, höre Podcast oder Musik, träume nichtstuend aus dem Fenster oder rede eben mit Fremden.
Auf meinen Strecken kenne ich alle Fahrpläne.
Am Tag, an dem ich in den Kantonsspital gereist bin, um mit dem Sozialdienst über die Situation meines Vaters zu reden, bin ich aus dem Takt gefallen.
In Olten habe ich gemerkt, dass ich in Aarau umsteigen muss und kurz vor Aarau habe ich festgestellt, dass ich dies auch in Brugg nötig sein wird, um den Termin einzuhalten. Insgesamt bin ich vier mal umgestiegen.
Offenbar wollte etwas in mir diesen Weg in Etappen hinter sich bringen!
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