Caslano ist für mich mehr als eine Ortschaft. Caslano ist eine gedankenlose Erinnerung all meiner Sinne.
Am ersten Tag meiner Ferien in Novaggio war ich dort und habe einen ersten Augenschein genommen, zusammen mit meinem Liebsten. Heute bin ich alleine hingegangen mit meiner Kamera.
Mein Augen haben Anhaltspunkte gesucht, Dinge, die mir bekannt vorkommen. Die Gassen sind noch da, freundlich, farbig, aufgeräumt…..
….. die Gassen sind hoch und unheimlich faszinierend. Ich sehe wenig Himmel und fühle mich klein. Die Wände der Häuser sind grau, dunkel, fleckig. Am Ende einer Gasse ist eine grosse Uhr an die Wand gemalt. Sie ist hoch oben. Ich orientiere mich immer an ihr. Einmal habe ich mich verlaufen und dann die Uhr wieder gefunden. Sie war die Rettung, kurz vor der Panik.
Es duftet mal nach brennendem Holz, mal feucht nach Keller. Gerüche von Essen liegen in der Luft.
Es hat viel Licht und Schatten. Es kühl. Wenn die Sonne scheint, wird es wärmer. Die Kühle, die aus den Kellern steigt, bleibt und ich fühle sie an den Beinen. Ich trage Kniesocken, die meine Grossmutter gestrickt hat. Sie sind crème und haben farbige, unregelmässig verteilte Farbstreifchen. Meine Brüder haben grüne Pullover mit Farbstreifchen.
Ich werde von den zwei alten, schwarz gekleideten Frauen berührt. Sie fahren mir durch die Haare. Ihnen gehört das Haus, in dem wir Ferien machen. Sie schnattern und freuen sich über die vier herzigen Kinder: Ich und meine drei Brüder! Sie riechen nach Grossmüttern.
Ich stehe mit meinen Brüdern auf einem dieser typischen tessiner Balkone und schaue auf den Hof. Mein Vater macht eine Fotografie, hinten höre ich die Frauen. Alles tönt speziell an diesem Ort. Es ist ruhig, so dass ich ganz viele Geräusche höre. Schritte in den Gassen, Türen und Fenster, die sich öffnen und schliessen, Wasser das tropft, rinnt, plätschert, Vogelgezwitscher, eine Frau, die ihr Kind ruft, in der Ferne Hundgebell. Es hat Stimmen von Männern, die irgendwo im Ort miteinander plaudern.
Wenn wir mit dem Auto gegen den Bahnhof fahren, kommt zuerst die Kirche, dann der Friedhof mit den riesigen Grabstätten, dann das flache, rote Haus. Wir schauen gespannt und wenn das flache Haus kommt, lachen und schreien wir Kinder auf. La maison platte!
….. als wir den Coop gesucht haben neulich, habe ich den Friedhof entdeckt. Man sieht ihn nicht mehr so gut, weil es Bäume hat. Aber es ist das einzige, dass ich mit absoluter Sicherheit wieder erkenne. Dieser Friedhof hat mich damals beschäftigt, angezogen und erschreckt zugleich. Heute ist alles überbaut, so dass der Friedhof kaum zur Geltung kommt. Ich besuche ihn und schliesse so meine Friedhofstour im Tessin ab. Morgen fahre ich heim.
Caslano ist ist mehr als eine Ortschaft für mich. Caslano ist etwas, das ich fühle. Caslano passierte mir, als ich erst anfing, die Welt mit dem Kopf zu verstehen.
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