Die Maus isst Paprikachips unter der Bank. Es ist meine Bank. Zwischen 17.40 Uhr und 17.49 Uhr sitze ich dort, es sei denn, ich gehe den Bahnsteig auf und ab. Ich bin nicht empört. Sie nimmt mir den Platz nicht weg.
Trotzdem setze ich mich nicht. Ich will sie nicht stören oder gar vertreiben. Ich knie vor ihr nieder und nähere mich. Kein Problem für sie. Sie knabbert weiter. Ich schiebe die Kamera vor sie hin und drücke mehrmals ab. Die Maus bleibt cool.
Die zweite Maus, vor der ich knie! Das heisst, vor Monaten lag ich schlussendlich platt auf den Asphalt, um eine gute Aufnahme zu machen. Auch diese Maus liess sich nicht stören.
Wie es aussieht, nehmen uns die Mäuse als natürliche, traditionelle Feinde nicht mehr ernst. Es wird sich bei ihnen herumgepiepst haben, dass die Menschen am mutieren sind.
Wir stellen keine Gefahr mehr dar, schon gar nicht eine Natürliche.
Kein Wunder, meine ich. Sie beobachten am Bahnhof seit Jahren, wie wir in unsere Geräte starren. Sie sehen unsere auf Displays gehefteten Blicke. Sie hören uns ins Nichts reden, lachend, weinend, keifend.
Wir zeigen Emotionen ohne ein Gegenüber, ohne sichbaren Bezug zu irgendwas. Man kann uns anscheinend gefahrlos ignorieren und essen, was wir fallen lassen. Die Mäuse haben sich, wie es aussieht, eingerichtet. Für die haben wir wohl alle ein Aufmerksamkeitsdefizit.
Maus bleibt cool, wenn so eine grauhaarige Tante vor ihr auf die Knie geht. Ist nichts als recht, vor ihnen zu knicksen. Wurde langsam Zeit. Ausserdem bringt eine Kamera und ein Klicken sie schon längst nicht mehr aus der Ruhe. Ein Casting mehr oder weniger spielt keine Rolle. Das ist Alltag!
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