Ich habe für meine Olympus ein Objektiv gekauft. Es ist ein Teleobjektiv, ein langes, schweres Rohr, 40-150mm f/2.8.
Da ich abends in der Stadt zu tun hatte, bin ich einige Stunden vor dem Termin dort gewesen und durch die Gassen gezogen.
Wenn ich fotografiere, bin ich in einer anderen Welt. Es ist die Welt der Sinne. Ich höre und schaue anders. Geräusche schrecken mich auf, ziehen meinen Blick an. Aus den normalen Dingen des Alltags werden Formen. Durch diese Sichtweise lösen sich die Grenzen der alltäglichen Deutungszusammenhänge auf. Es ergeben sich neue Konstellationen und Bezüge. Ein Mensch verbindet sich zum Beispiel durch eine Farbe mit einer Signaltafel oder einem Papierschnipsel am Boden. Plötzlich werden Schatten wichtiger als jene Objekte, die sie abbilden. Ich starre auf den Asphalt und erkenne, dass die Schatten ein eigenes Leben führen. Sie können sich berühren, ohne dass ihre Verursacher sich nahe kommen.
Versonnen, mit den Einstellungen des Objektivs beschäftigt, begebe ich mich auf die Brücke. Ich lasse meinen Blick schweifen, suche nach Motiven und plötzlich sehe ich, zwischen den Japanern, dieses Paar, der junge Mann, der mit dem Mädchen spricht. Instinktiv hebe ich die Kamera, fokussiere und drücke ab.
Ich realisiere, für einen kurzen Augenblick, die Intimität des Moments, den ich festgehalten habe. Schnell nehme ich die Olympus samt Riesenobjektiv herunter. Einfach weitergehen im Strom der Leute ist meine Devise, vorbei am Paar, das sich jetzt küsst und runter von der Brücke, zurück auf die Strasse.
Ich bleibe stehen und schaue in der Kamera das Bild an. Es ist schön, wunderschön. Es erzählt eine Geschichte, ein Geschichte, die für alle, die das Bild anschauen, etwas anders ist, denke ich.
Ich schaue zurück auf die Brücke. Sie sind weg, die Zwei, verschwunden im Touristenstrom. Ich stehe alleine da. Menschen aus allen Erdteilen wusseln um mich herum und knipsen die Bilder, die man eben in Luzern knipst.
Ich bin allein, mit diesem festgehaltenen Moment, im Leben von zwei fremden Menschen.
Montag, 30. März 2015
Leave a Reply