Früher hätte er schockiert, der junge Mann mit dem blutig geschlagenen Kopf, der seine Wunden wie eine exotische Dekoration auf seiner Stirn trug. Er stieg in W. in den Zug, lässig schlurfend, die Hosen tief hängend, das Fudi fast freigebend und schaute, ob geschaut wird. Es wurde nicht geschaut, selbst als er zwei Bierdosen auf den Boden stellte.
Ich bemerkte ihn erst Minuten später wieder, als mir auffiel, dass er eine 50iger Note zu einer Tüte formte. Was will der Mann mit dieser Tüte? Ach ja, mir dämmert es und ich bemerke die dazugehörende weisse Linie Pluver auf der Ablage unter dem Fenster. Er snieft es in das linke Nasenloch und noch immer passiert nichts.
Ihm gegenüber sitzt ein Fräulein, das total unverkrampft mit ihrem iPhone beschäftigt ist. Es ist nicht so, dass ich den Eindruck hätte, dass sie in das Gerät schaut, um sein Tun demonstrativ zu ignorieren. Nein, sie nimmt ihn einfach nicht wahr, sie ist beschäftigt, das ist alles.
Die grauhaarige Frau mir gegenüber liest unberührt die Broschüre Chumm, Museum Aargau. Und ich, ebenfalls grauhaarig, sehe in ihm, der mein Sohn sein könnte, in erster Linie eine Geschichte. Ich bin so dreist, ihn unbemerkt zu fotografieren, damit mein Blogeintrag ein ordentliches Bild hat.
Wann haben solche harten Jungs aufgehört, die Oeffentlichkeit zu schockieren?
Mittwoch, 27. Mai 2015
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