Ich habe sie heute geklaut, morgens, als es anfing zu regnen, tat ich meinen ersten gierigen Griff nach ihnen. Ein ganzes Tupperkübeli habe ich mit Brombeeren gefüllt und mir schon vorgenommen, übermorgen eine Nachernte zu machen.
Du sollst nicht stehlen
Wie komme ich dazu, so eine frevelhafte Tat zu vollführen? Sie war sogar geplant, zwei Tage im Voraus. Sie war also vorsätzlich, meine Übeltat. Vorgestern war ich nordisch walken, also als Stockente unterwegs und kam an diesem Riesen Brombeergestrüpp vorbei. Die Früchte sind erstaunlich gross. Sie sind ja eben aus einem Garten entflohen und wahnsinnig gut und sehr reif – darum auch so gut dänk, so wahnsinnig gut. Ja klar, die Wurzeln sind wahrscheinlich noch im Garten, also auf Privatbesitz, aber der Busch schon längst nicht mehr. Überhaupt, es ist beim Haus, wo es früher Bernhardinerhunde hatte. Die bellten ständig und benahmen sich bedrohlich. Das Haus ein Flickwerk, umgeben von komischer Kunst.
Die Hunde sind schon lange weg und das Haus ist unbewohnt. Allerdings tut sich seit einiger Zeit was. Die Umgebung ist aufgeräumt – ausser den Brombeeren. Das Haus ist zum ersten Mal überhaupt erkennbar.
Erben haben nicht reagiert
Nun, die Brombeeren nimmt niemand. Ich habe den Erben zwei Tage Zeit gelassen, um zu zeigen, dass sie sich um sie kümmern, sie pflücken. Es hat sich nichts getan. Heute waren einige überreif. Man musste sie nehmen und das vor dem Regen. Ist ja logisch, oder, sonst werden sie nass.
Jene, die ich nicht auf der Stelle gegessen habe, sind nun tiefgekühlt und werden in Raten in meinem Morgenmüesli vermantscht werden.
Ich und die Brombeere
Nachmittags bin ich ins Fitness und die Sauna und da ist aus der Tiefe meiner Seele ein Bild aufgetaucht.
Ich, die Brombeere und meine Standhaftigkeit! Man sieht es auf dem Bild. Ich im Laufgitter, auf dem Geländer die letzte Brombeere, nach der ich greife. Brombeeren waren meine Motivation, mich im Laufgitter aufzurichten. Es wird erzählt, ich hätte eine nach der anderen geschnappt und gegessen und so gelernt, auf eigenen Füssen zu stehen und zu gehen.
Ich das bekennende Beeri
Darum: Ich darf überall Brombeeren nehmen. Ich erhebe mich für sie, ich stehe für sie, eine magische Verbindung, wir brauchen einander. Es hat mich auch nie gestört, wenn man gesagt hat, ich sei ein Beeri. Warum nicht? Beeris sind wunderbar. Ich habe auch zu Himbeeren und Erdbeeren eine tiefe Verbindung und wenn sie mich anlachen – schwupp, weg sind sie, einverleibt, eins mit mir auf ewig oder bis zum nächsten Stuhlgang.
Nachernte mit Helm
Und, falls es eine Nachernte gibt, werde ich mir wie mein Vater ein Helm überziehen, um noch näher ran zu kommen. Keinen Militärhelm wie er, denn ich habe keinen, vielleicht der Töffhelm. Man wird sehen, on verra!
Tolle Geschichte, danke Marianne! Liebe Grüsse Heinz
Freut mich, dass meine Geschichte dir gefallen hat. Danke für das Feedback.