Bild: Blick vom Klausen ins Tal (für die, die es nötig haben?)
Ich diniere mit meinen Kollegen und Kolleginnen. Sie plaudern über ihre Arbeit. Ich höre zu und schweige. So wie ich, sind sie Fachleute. Ich bin jedoch in einer anderen Disziplin tätig.
Wenn ich mit Fachleuten meiner Art rede, tönt das anders. Wir reden zum Beispiel über Leute, die an unsere Referate kommen. Erstaunlicherweise wissen einige dieser Personen jeweils genau, wer es nötig hätte, uns zuzuhören, jedoch nicht da ist. Wir kennen leider diese abwesenden Menschen nicht. Da ihre Absenz so wichtig zu sein scheint, nimmt es uns natürlich wunder, wer sie sind. Es gibt kaum eine Veranstaltung, an der wir nicht auf die hingewiesen werden, die es nötig hätten. Was sie nötig hätten wird nie im Detail erläutert.
Meine Kollegen und Kolleginnen am Tisch reden nun von Dormicum, Valium, Seresta und Rohypnol, die übrigens blau sind, damit sie nicht aufgelöst und gespritzt werden können. Dormicum kann sehr aggressiv machen, während Valium etwas moderater wirkt, wobei sie sich darüber nicht ganz einig sind. Was mit den Serestas ist, habe ich schon vergessen. Es gibt Ärzte, die mit der Verschreibung sehr grosszügig sind. Man weiss, wer sie sind, ähnlich wie man weiss, wer es nötig hätte.
Meine Kollegen und Kolleginnen reden von Metabolismus, derweil eine SMS meines Liebsten eintrifft. Er ist mit meiner Royal Enfield auf dem Klausen und die Sicht ist wunderbar. Er hat soeben sein Essen bestellt. Als das Foto der Aussicht, das ich als Beweis verlange, sich mit einem Piepser ankündigt, reden sie von der IV Rente einer Frau. Sie möchte TGB und das kostet. Ich habe keine Ahnung, was TGB ist, denke aber auch, dass CHF 800 viel ist. Das ist der Betrag, den sie bei TGB selber bezahlen müsste. Ich gebe TGB in Google ein und da kommt etwas über Motorroller. Kann sein, dass ich einen Teil der Konversation verpasst habe. Schliesslich muss ich mein Erstaunen über die Klarsicht auf dem Klausen ins iPhone tippen. Ich bin langsam, da ich an den iPad gewöhnt bin, mit Tastatur.
Bei mir jedenfalls lässt die Klarsicht nach. Hinter mir diskutieren Männer über die Zürichversicherung. Eine Kollegin erwähnt eine Psychologin, die komplizierte Vorgänge nicht vereinfachen wollte. Ein Austrittsbericht ist bis heute nicht eingetroffen und T. neben mir wurde nach grosser Standhaftigkeit nun doch dazu genötigt, Whatsapp zu nutzen. Jetzt kommen ständig belanglose Nachrichten auf ihr Smartphone.
Gehirnleistungen, Benzos und Raubüberfälle, Zitronengras! P. der zwei Schalen Reis bestellt hat. T. die kein Fleisch isst aber Fisch, weil das das Reisen vereinfacht. H. empfiehlt Insekten, weil sie reich an Proteinen sind und ebenfalls auf der ganzen Welt zu haben sind.
Mein Liebster meldet, dass er sich nun wieder auf das Motorrad schwingt und talwärts nach Brunnen fährt.
Wir trinken den Kaffee aus. Ich denke an die, die es nötig hätten und mache mich auf den Weg zur Arbeit. Im Park zischt es mehrmals deutlich und herausfordern. Ja, ich bin gemeint. Zwei Kolleginnen meiner Fachrichtung und Art rufen mich zu sich. Ich bin wieder auf sicherem Terrain.
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