Als heute die Putzfrau gegen 09.00 Uhr gekommen ist, hat sie gleich gefragt, wo denn unser Auto sei. Vor einer Woche stand es nämlich auf dem ordentlichen Parkplatz, an dem sie vorbei muss, wenn sie ins Haus kommt. Ich habe gesagt mio marito a casa vendredi und dabei mit der linken Hand ade gewinkt und den Blick gegen Norden gerichtet. Ah, venerdi oh! Ihr mitleidiger Blick sprach Bände. Fröhlich habe ich Postauto gesagt, Bus und alles mit Fuchteln unterstrichen. Sie hat mich verstanden und ist an die Arbeit. Heute waren die Fenster an der Reihe.
Wie vor einer Woche habe ich mich während der Putzerei verkrochen, bis ich dann tatsächlich um 11.01 Uhr mit dem Postauto gen Luino aufgebrochen bin.
Die Fahrt war abenteuerlich. Postautos fahren in jedes Dorf. Das ist das Schöne an ihnen, sie kennen viele Winkel, die gewöhnlichen Autos verborgen bleiben. Ich habe richtig Sonne im Herzen und für einmal scheint sie auch draussen, ausser in Luino!
In Luino ist es grau und ein kalter Wind bläst, als ich ankomme. Kein Mensch auf der Strasse. Ich erkenne es kaum wieder. Vor fast zwei Wochen hatten wird die Stadt fluchtartig, ohne auszusteigen, verlassen. Am Mittwoch ist Markt, der Markt von Luino, das Paradies der billigen, jedoch sehr gut verarbeiteten Ledertaschen! Wir wussten das damals nicht. Statt einem Fotospaziergang durch Luino sind wir schlussendlich an jenem Mittwoch durch die Dörfer und Friedhöfe des Alto Malcantone gezogen.
Heute liegt mir Luino zu Füssen. Ich packe die Kamera aus und schlendere entspannt und zunehmend versonnen durch die Gassen. Meine Hände sind kalt. Ich bin froh, dass ich mein Velowindjäckli, das zusammengedrückt nicht viel grösser als eine Zigarettenschachtel ist, mitgenommen habe. Das Wetter ist so grau, dass es keine Schatten gibt.
Ich esse in einem Glaskasten mit Blick auf den See eine wunderbare Pizza. Das Restaurant ist bis auf eine dänische Familie und mich leer.
Der See ist unruhig, aufgewühlt und graublau. Mir gefällt’s so!
Dann passiert es, das Ärgernis. Acht Minuten, bevor ich die Rückfahrt mit dem Postauto antrete, bricht die Sonne durch die Wolken. Schlagartig ist es warm und sofort füllen sich die Strassen und Kaffees mit Leuten. Ich bin fassungslos, bleibe aber gelassen, cool, lasse mir gar nichts anmerken.
Menschen und Häuser, Bänke, Strassenlampen, Autos, Lastwagen, Bäume und Hunde – alles hat nun einen Schatten! Ich könnte gleich nochmals beginnen mit dem fotografieren. Alles sieht anders aus.
Ich gehe, ich steige ins Postauto, adios Luino, das Wetter hat mich in den letzten zwei Wochen im Tessin genug geeselt! Von wegen Sonnenstube der Schweiz!
Leave a Reply