Bild: Gemeine, klassische Walderdbeere!
Ich habe ganz viele Walderdbeeren. Wenn ich von der Arbeit nach Hause komme, falle ich über sie her. Ich bin völlig versessen auf die Dinger.
Meine Grossmutter hatte auch welche. Wenn wir sonntags zu Besuch waren, nahm sie uns mit in den Garten und wir durften uns damit vollstopfen. Ich vermute, sie liess sie für uns stehen, denn es hatte immer ganz viele.
Sie lehrte uns, dass die Angefressenen die Würzigsten sind. Um ihrer Lehre Nachdruck zu verleihen, ass sie demonstrativ genüsslich jene, die angeknabbert waren, mal von Schnecken, mal von Käfern.
Wenn ich von der Arbeit nach Hause komme und, wie schon gesagt, über meine Walderdbeeren herfalle, denke ich jedes mal an meine Grossmutter. Bis heute bin ich mir nicht sicher, ob die Angefressenen wirklich würziger sind. Mal finde ich ja, mal eher nicht. Die mit Schneckenspuren dran lasse ich aus, das geht mir zu weit.
Ich weiss nicht, ob ich in den letzten Jahrzehnten je eine Walderdbeere gegessen habe, ohne an meine Grossmutter zu denken. Unglaublich. Das wird wahrscheinlich nie aufhören und meine Frage, ob die Angefressen wirklich würziger sind, wird nie beantwortet werden und ich werde nie erfahren, ob sie das wirklich gedacht hat oder uns veräppeln wollte.
Freitag, 27. Juni 2014
Ich habe gut geschlafen. Ich sinniere weiter über die Erdbeeren nach. Ich habe soeben welche gegessen und dabei ein Foto gemacht. Ja, das Foto.
Stopp! Soeben hatte ich eine Erleuchtung! Ganz klar: Ich mag die Angefressenen! Sie sind leidenschaftlich. Ist ja logisch warum. Sie wurden angefressen, das verursacht immer mehr oder weniger Leiden und daraus erwächst sie dann, die Würze. Es ist nicht der Schneckenschleim, der es ausmacht, es ist das Leiden, das aus der Versehrtheit (oder Verzehrtheit) entsteht. Es ist die Wunde, die Würze gibt!
Die würzige Erdbeere ist vulnerabel! Das wird meinem Team der Suchtprävention Aargau an der Arbeit gefallen, die haben nämlich ein Zeugs mit den vulnerablen Zielgruppen. Sie sind schwer auffindbar und alle Nichtvulnerablen meinen, sie hätte „es“ nötig!
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