Heute rauscht die Reisewelle nach Süden. An Pfingsten geht’s am Ringsten! Denkste, so ist es nicht. Das Radio berichtet, dass am Gotthard Nordportal mit zwei Stunden Wartezeit zu rechnen ist. Ich lache auf, denn ich weiss, dass es bestimmt mehr als zwei Stunden sein werden. Ich habe jetzt nämlich auch eine eigene Erfahrung damit. Vor zwei Wochen war ich in einer Reisewelle mit Stau am Gotthard Südportal und ich weiss, dass es länger geht, als sie einem im Radio weis machen wollen.
Bis anhin habe ich das Reiten auf Reisewellen mit integriertem Stau geschickt vermieden. Ich verreiste einfach nicht und machte Ferien zuhause. Ich glaube mich zu erinnern, dass ich vor ungefähr 30 Jahren das letzte Mal in einem grossen Stau am Gotthard war, als Beifahrerin auf einem Rücksitz. Ich hatte den Zug verpasst und wurde mitgenommen.
Noch früher gab es anfangs Sportferien die legendären Kolonnen am Walensee. Damals war ich ein Kind und ebenfalls auf dem Rücksitz. Mir war es egal zu warten. Ich hatte meine Brüder. Wir spielten und stritten miteinander und waren somit gut unterhalten. In Chur gab es jedes Jahr einen Zwischenhalt, auf den wir uns freuten. Wir gingen Maluns essen. Maluns erinnerte mich an das Futter von Chiffon, den Hund meiner Grosseltern in der Romandie. Ich glaube, damals redete man von Kolonnen, nicht von Staus.
Am 10. Mai 2015 sass ich am Steuer! Das war definitiv eine total neue Erfahrung. Nix mehr Rücksitz, nein, ich selber vorne links und den Fuss auf dem Pedal. Ich war ganz aufgeregt, angespannt und erwartungsvoll und dann passierte einfach nichts! Es war total unspektakulär. Alle anderen verhielten sich routiniert, unaufgeregt, cool, freundlich und gelassen.
Ein Busfahrer lehnte sich aus dem Fenster und erkundigte sich nach unseren Velos, die wir geladen hatten. Er wollte wissen, wie es sich mit unseren Lefty Gabeln von Cannondale fahren lässt. Nachdem er von meinem Liebsten informiert wurde, zog er sich in seine Kabine zurück und das war’s.
Zwei Autos vor mir stiegen Jungs lässig aus. Sie lehnten sich rauchend und laut lachend an die Leitplanke. Mehr nicht, alltäglich, überall hängen Jungs so ab. Warum nicht mitten auf einer Autobahn. Junge Männer tun das. Sie wollen gesehen werden.
Ich habe nichts Besonders erlebt. Wir waren alle willig, geduldig und anständig im Unvermeidlichen gefangen und warteten darauf, dass es weiter geht.
Pfingstsamstag, 23. Mai 2015
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